Sonntag, 12. April 2015

Die genomische Schönheitschirurgie

Vor ein paar Tagen wurde ich von einer Bekannten auf einen Beitrag von "IQ - Wissenschaft und Forschung" des Radiosenders Bayern 2 aufmerksam gemacht. Darin ging es unter anderem um das CRISPR/Cas-System und dessen Anwendung und Problematik in der Gentechnik. Weil ich gefragt wurde, was das ist, wie das funktioniert und ob die Kritik eigentlich angebracht ist, habe ich diesen Blog-Eintrag verfasst.

Was ist eigentlich CRISPR/Cas?

Das CRISPR/Cas-System ist gewissermaßen das adaptive Immunsystem einiger Bakterien. Diese Organismen besitzten in ihrem Erbgut einen Bereich, der CRISPR genannt wird. Dieser CRISPR-Bereich besteht aus einer Abfolge von jeweils gleichen Sequenzen (den repeats) unterbrochen von Sequenzen die anders aussehen (den spacers). Infiziert man ein Bakterium mit einer Phage (ein Bakterien-befallendes Virus), so baut das Bakterium Teile der Virus-DNA als spacer in die CRISPR-Region ein. Ein solches Bakterium ist anschließend immun gegen den Befall mit dieser Phage. Wie man sich das vorstellen kann, habe ich in der ersten Abbildung mal skizziert. Die Phage injiziert sein Erbgut in das Bakterium. Das Bakterium kann mithilfe eines Cas-Komplexes einen Schnipsel aus der Virus-DNA ausschneiden und ihn in den CRISPR-Bereich einfügen. Auf diese Weise sammelt das Bakterium (und seine Nachkommenschaft) eine große Anzahl an Fremd-DNA-Schnipseln in seinem eigenen Erbgut an. Vom gesamten CRISPR-Bereich kann es Kopien herstellen und, indem es sie an den repeat-Stellen zerschneidet, erhält es eine Abschrift jedes einzelnen Schnipsels. Wenn das nächste Mal eine schon bekannte Fremd-DNA in die Zelle eindringt, helfen diese Schnipsel den Eindringling zu erkennen und mit Hilfe des Cas-Komplexes zu zerstören.

Das bakterielle CRISPR/Cas-System: Eine Phage infiziert ein Bakterium mit ihrem Erbgut (Fremd-DNA). a) Ist diese Erbgut dem Bakterium unbekannte, schneidet der Cas-Komplex ein Stückchen daraus aus und b) fügt den Schnipsel in die CRISPR-Region der Bakterien-DNA ein. Im Laufe der Zeit sammelt das Bakterium verschiedenste Fremd-DNA-Schnipsel an (hier verschiedenfarbig gekennzeichnet). c) Von dem CRISPR-Bereich können Kopien erstellt werden, die an den repeat-Stellen (schwarz) zerschnitten werden. d) Infiziert nun eine schon bekannte Phage das Bakterium, hilft der entsprechende Schnipsel die Fremd-DNA zu erkennen, e) die anschließend vom Cas-Komplex zerstört wird.


Was kann man damit jetzt machen?

In der Gentechnik wird das ganze Prinzip umgekehrt. Nehmen wir an, wir wollen eine Maus erzeugen, in der das Gen A zerstört sein soll. Wir brauchen dazu einen Schnipsel der genau auf den Bereich passt, an dem das Gen A liegt. Deshalb wird der geeignete Schnipsel erstmal im Labor hergestellt. Jetzt brauchen wir noch ein Instrument, das die Maus-DNA in dem Bereich kaputt macht, den unser Schnipsel vorgibt. Dazu nehmen wir das Cas9-Protein aus dem Cas-Komplex. Jetzt spritzen wir dem Maus-Embryo im Einzellstadium unseren selbst hergestellten Schnipsel und das Cas9-Protein. Unser Schnipsel erkennt nun das Gen A und das Cas9 schneidet es an der Stelle kaputt. Wir könnten sogar an der Stelle ein Gen B einfügen, wenn wir ein ensprechendes Konstrukt mit hinzugeben. Den genveränderten Embryo setzen wir wiederum einer Leihmutter ein, die unsere genveränderte Maus dann austrägt.

Das Cas9-System: In der Gentechnik wird für das Zielgen A (orange) ein passender Schnipsel (gelb) im Labor hergestellt. Infiziert man die befruchtete Eizelle (Oozyte) einer Maus mit diesem Schnipsel und dem Protein Cas9, wird das Gen A erkannt und zerstört. Anschließend wird der Embryo einer weiblichen Maus eingesetzt, die eine Maus mit ausgeschalteten Gen A austrägt.


Warum ist das toll?

In vielen Bereichen der Lebenswissenschaften ist es für die Forschung wichtig, ganz geziehlt Gene auszuschalten, zu verändern oder hinzuzufügen. Anschließend werden die Effekte beobachtet und Rückschlüsse gezogen. Das war bisher in vielen Organismen sehr aufwendig und/oder unmöglich. Mit Werkzeugen wie dem Cas9-System stehen jetzt viele Möglichkeiten offen. Auf für die Agro-Gentechnik ist es ein Instrument, um möglichst risikofrei Pflanzen robuster, ertragreicher und resistenter zu machen. Nicht zuletzt erhoffen sich auch viele Forscher neue Impulse innerhalb der menschlichen Gentherapie. Da besonders der letzte Punkt sehr strittig ist, geht es im letzten Teil dieses Eintrags ausschließlich darum. Zuvor sei aber erwähnt, dass es neben CRISPR/Cas auch andere Möglichkeiten zum sehr genaunen Verändern des Erbguts gibt, nämlich „Sequenz-spezifische Endonukleasen“. Wie die funktionieren, wird sehr schön in diesem Video der Nature Publishing Group erklärt.


Sequenzspezifische TALENs und Zinkfingernukleasen (Quelle: Spektrum-Verlag)


Der Mensch zum selber bauen?

In der Gentherapie gibt es prinzipiell zwei Ansätze. Zum einen gibt es die Gentherapie mit somatischen Zellen, in der alle Zellen eines ganz bestimmten Gewebes in einem Menschen verändert werden. Zum Beispiel können Leukämie-Erkrankte mit ihren eigenen Gen-therapierten Blutstammzellen transplantiert werden, falls ein passender Spender fehlt. Zum anderen kann die Gentherapie auf die Keimbahn des Menschen (dort wo Spermien und Eizellen gebildet werden) oder auf einen menschlichen Embryo selbst angewendet werden. Kritiker befürchten nun, das mithilfe des genetic engineering (also zielgerichtetes Verändern des Erbguts in Embryonen) unnatürliche Menschen erschaffen werden könnten, vielleicht sogar Super-Soldaten mit übermenschlichen Kräften oder Gehirrrrne-fressende Zombies. Das würde allerdings schlicht an den Naturgesetzen scheitern (ja, die gelten auch für die Gentechnik). Theoretisch wäre es allerdings möglich, Designer-Babies mit ganz bestimmten Eigenschaften zu erzeugen, z.B. hübscher, schlauer, sportlicher oder charismatischer. Viele Ethiker befürchten den Einzug der Eugenik mit der Keimbahn-Behandlung. Um realistisch zu bleiben, sollte erwähnt werden, dass selbst die Erzeugung einer ganz bestimmten Auge- oder Haarfarbe beim Menschen ganz und garnicht trivial wäre. Von molekularbiologisch so wenig verstandenen Eigenschaften wie Verhalten und Intelligenz ganz zu schweigen. Eltern mit überzogener Erwartungshaltung gegenüber ihrer Kinder müssen ihren Nachwuchs also stattdessen weiterhin mit Dingen wie früh-kindlicher Erziehung drangsalieren. Was jedoch tatsächlich eine Option wäre, ist die Behandlung von Krankheiten wie Chorea Huntigton, Sichelzellanämie oder genetisch bedingter Hypercholesterinämie. Hierbei wäre die Schwere der Krankheit mit den (natürlich auch bei sehr genauen Methoden) bestehenden Risiken abzuwägen. Außerdem steht dabei immer noch die Frage im Raum, ob der Wunsch der Eltern nach einem gesunden Kind höher einzustufen ist, als die genomische Integrität des Nachwuches. Ich befürchte aber, dass wie schon im Fall von Abtreibung, embryonaler Stammzellenforschung und PID eine tatsächlich zielführende Diskursion im politischen und öffentlichen Raum kaum stattfinden wird. Debatten über die ethischen Aspekte der Reproduktionsmedizin werden in Deutschland dann doch viel zu gerne ausgesessen.



Weiterführende Links

Wem die Erklärung zu CRISPR/Cas zu ungenau und zu wenig fachlich ist, empfehle ich zwei Reviews, auf die ich mich beim Schreiben gestützt habe: Zum einen Horvath und Barrangou (2010, Science) als allgemeine Info über CRISPR/Cas (leider nur eingeschränkter Zugriff), zum anderen Sampson und Weiss (2014, Bioessays) über die gentechnologische Anwendung.

Ethisches Pro und Contra von Gentherapie und genetic engineering der School of Medicine, Missouri

Nützliches Lexikon über Genetik und genetisch bedingte Krankheiten der National Institutes of Health


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